Kostprobe?

DIE GEBURT

Als aber in der finsteren Nacht
die junge Frau das Kind zur Welt gebracht,
da haben das nur zwei Tiere gesehn,
die taten grad um die Krippen stehn.

Es waren ein Ochs und ein Eselein,
die dauerte das Kindlein so klein,
das da lag ganz ohne Schutz und Haar
zwischen dem frierenden Elternpaar.

Da sprach der Ochs: "Ich geb dir mein Horn.
So bist du wenigstens sicher vorn."
Da sprach der Esel: "Nimm meinen Schwanz,
auf daß du dich hinten wehren kannst."

Da dankte die junge Frau, und das Kind
empfing Hörner vorn und ein Schwänzlein hint.
Und ein Hund hat es in den Schlaf gebellt.
So kam der Teufel auf die Welt.

alepopale schrieb on 25.09.2003 um 20:37:52:


Okay, aber nicht so schön wie das hier:

MATERIALIEN ZU EINER KRITIK DER BEKANNTESTEN GEDICHTFORM ITALIENISCHEN URSPRUNGS

Sonette find ich sowas von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut;
es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
daß wer Sonette schreibt. Daß wer den Mut

hat, heute noch so 'n dumpfen Scheiß zu bauen;
allein der Fakt, daß so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen.
Ich hab da eine Sperre. Und die Wut

darüber, daß so 'n abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichsereien blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker.

Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert.
Ich tick es echt nicht. Und wills echt nicht wissen:
Ich find Sonette unheimlich beschissen.

(Discuss!  )

hey pj, kennst du meine abigedichte? die sind der große monumentale und literarische knüller...

@ursa:
versteh mich nicht falsch. ich bin ein gedichtfreund, aber auch ein eingebildeter sack, der nur seine eigenen sachen gut findet. dabei fällt mir ein, dein gedicht is gut.

tja, aber dennoch is das zweite besser.... 

Sehr geehrte Gentlemen, lieber Robert Gernhardt, hiermit möchte ich mich in aller Form für 2 Dinge entschuldigen:

a) dass ich den Eindruck erweckt habe, die Gedichte seien von mir. Unverzeihlich.

b) dass ich ausgerechnet diese beiden Gedichte ausgesucht habe. Meine soziale Inkompetenz in Kommunikationsfragen hat wieder zugeschlagen.

Zur Erklärung. (Ab hier wirds wieder ursa-minor-typisch langatmig, weiterlesen nicht nötig.)

Das erste Gedicht ist sicher nicht das beste von Gernhardt. Aber ich fand, es passte gerade in die Gott-Teufel-Geschichte, die in diesem Thread angedacht worden ist. Außerdem fand ich es witzig, dass er Versatzstücke der Weihnachtsgeschichte für die "Geburt des Teufels" benutzt. Gut, das war nicht so witzig wie ich dachte, seh ich ein.
Das andere Gedicht ist leider auch ein Insidergag. Ich dachte, es wäre auch ohne den Hintergrund witzig. Was es offenbar nicht ist. Bin leider ein Fachidiot.
Hintergrund ist: Die Gedichtform des Sonetts galt unter Dichtern als "typisch Shakespeare", vollkommen veraltet und viel zu rigide, um noch interessant zu sein. Gernhardt versucht zu zeigen, dass man Sonette auch im 20. Jh. noch schreiben kann, indem er "moderne" (gesprochene) Sprache verwendet und als Inhalt des Sonetts die Ablehnung des Sonetts in blumiger Sprache wählt. Dass das Versmaß "rumpelt" stimmt zumindest beim 2. Gedicht nicht, er hält sich nur an die Regeln.

Für alle Fußballfans: Es gibt da noch ein paar Fußballgedichte, die ich hier aber nicht zitieren werde.

Bitte nicht schlecht von R. Gernhardt denken, bloß weil ich nicht zitieren kann. Der Mann ist Mitbegründer der Titanic!