Brüssel: “Warum kann nicht jeder Abend ein Abend in Brüssel sein? Es würde mein Leben sehr viel einfacher machen!“
Der Koninklijk Circus/Cirque Royal in Brüssel ist aufgebaut wie ein altes Amphitheater: sehr hoch und sehr steil. Aber selbst wenn uns jemand aufgefordert hätte, über das Leben des Gladiators unten auf der Bühne abzustimmen, 100 % aller Daumen wären auf jeden Fall nach oben gegangen. Brüssel ist ein Heimspiel für E.
Natürlich war der Saal ausverkauft. Natürlich war es auch wieder warm. Allerdings ein wenig kälter als in Köln, erst gegen Ende wurde die Hitze unerträglich. Aber da wars dann auch schon egal. Ich war allerdings froh, dass ich doch ein wenig Geld in Karten der zweitteuersten Kategorie investiert hatte. So war ich nicht weit von der Bühne weg und gaaaaaanz oben unterm Dach war die Hitze sicher schlimmer als bei uns.
Der Abend fing an wie der letzte. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass das Publikum nach jedem Song beinah ausrastete, bei vielen Songs zwischendurch auch mitsang und mitklatschte (zumindest ein bisschen, je nach Song). Wie in Köln wandte sich E nach ca. 4 oder 5 Liedern mit einer kleinen Ansprache an die Zuschauer, nachdem er uns zuvor schon mit „Bonjour“ begrüßt hatte (offenbar hat ihm niemand gesagt, dass das mit den 2 Sprachen in Belgien ein Problem ist und dass viele Flamen allergisch auf Französisch reagieren, aber naja, er ist Amerikaner, wem wenn nicht ihm kann man das verzeihen?). „It’s good to be back in Brussels. Always a pleasure. A pleasure to serve. At your service!”. Später kam dann wie schon in Köln “Have you met the string section?”. Da er sie diesmal nicht mit „Fräulein“ betitelte, konnte er auch ohne Probleme Big Al einbauen.
Irgendwann später am Abend, nach einem besonders herzlichen Applaus, meinte er dann: „Aaaah, Schatzi. I meant to call the audience yesterday in Germany Schatzi but I forgot. It means treasure. Aaaa, treasure.” Also, falls er euch bei einem der nächsten Konzerte mit „Schatzi“ betitelt, wisst ihr, ihr seid besser als die Kölner.
Mehr und mehr kristallisieren sich bei mir Vorlieben raus. Und zwar ist es bei mir so, dass ich die neuarrangierten alten Lieder lieber mag als die Lieder von BL&OR. Irgendwie klingen die auf der Bühne gar nicht so anders wie auf Platte. Aber Dirty Girl, Dog Faced Boy oder Flyswatter mit Streicherarrangement haut mich jedes Mal wieder fast aus meinem Sessel. Es ist im Grunde Wahnsinn, wie gut sich diese Lieder für ein Streichorchester eignen. Aber nun gut, die Londoner Symphoniker haben Orchesterversionen von Metallica-Stücken auf die Bühne gebracht. Vielleicht eignet sich einfach jedes Lied zum Umarrangieren? Egal, bei den Eels klingts auf jeden Fall wahnsinnig gut.
E war auf jeden Fall wieder sehr gut drauf. Als er Spunky anstimmte, vergaß er nach 2 Zeilen den Text und brach ab. Da kaum aus vollem Herzen ein „Fuck!“ über seine Lippen. Er hatte das Lied als eins angekündigt, das entstanden sei, als die meisten von uns noch gar nicht geboren waren. Es sei von 1996, wir sollten unsere Eltern fragen. Als er nun den Text vergaß, meinte er „Shit, I don’t remember anything from the 1900s!“ Er bat um Hilfe, ob jemand die nächste Zeile wisse? Prompt kam aus dem Innenraum eine kräftige Stimme „Going back to the orphanage!“ E bedankte sich und meinte, wenn ihm dann die folgenden Zeilen auch nicht einfielen, könne ja derjenige, der ihm gerade geholfen habe, auf die Bühne kommen und das Lied zu Ende singen. Er fing also noch mal von vorn an und als er „Going back to the orphanage“ sang, sang er es mit einem breiten Grinsen in Richtung Publikum. Der Rest fiel ihm dann aber leider doch wieder ein. Mich hätte interessiert, ob der Fan tatsächlich auf die Bühne gekommen wäre!
Der Abend lief also zur vollsten Zufriedenheit aller (siehe Zitat oben in der Überschrift, ich denke, das war eine Anspielung an das Kölner Publikum), E hatte nur zwischendurch mit Feedback zu kämpfen. Da quengelte er ins Mikro *quietschendes, quengelndes Geräusch, weinerliche Stimme* „But everything went so well. First I forget the lyrics and now this!“ *quengel*
Er spielte Railroad Man wieder solo, Chet verließ wieder die Bühne, die Streicher blieben sitzen. Da meinte E: „You can take a break, too. Don’t you have to pee or something?” Worauf die 4 Damen geschlossen aufstanden und die Bühne verließen. Das Publikum bog sich vor Lachen. „Jetzt seid ihr und ich allein. Endlich!“ meinte E und vergaß, dass da irgendwo im Dunkeln noch Big Al saß ...
|