John Parish Interview   Butch Norton Interview  


Interview mit John Parish, vor dem Eels-Gig in Frankfurt, am 12. November 2001

Christina: Welche Geschichte steckt hinter deinem ersten Treffen mit E und Butch und der Tour, die du gerade gemeinsam mit ihnen machst?
John: Tatsächlich hab ich E und Butch zum ersten mal bei "Top of the pops" in England getroffen. Das ist ein altmodisches britisches Musikprogramm, das schon im Fernsehen lief, als ich noch ein Junge war. Und E und ich waren beide eine sehr ungewöhnliche Kandidatenwahl für diese Show. Darin treten gewöhnlich viel [lacht]... viel berühmtere Bands auf, als Eels oder PJ Harvey, die Band in der ich spielte, als ich E zum ersten mal traf. Wir verstanden uns und wir waren bei der gleichen Platten-Agentur unter Vertrag. Wir kamen ins Gespräch, sagten, daß wir vielleicht irgendwann in der Zukunft was zusammen machen sollten und dann trafen wir uns zufällig ein oder zweimal in unterschiedlichen Städten, über den ganzen Globus verstreut, da wir beide herumtourten. Nun, wir kamen gut miteinander klar und eines Tages rief er mich an und fragte, "Hast du nicht Lust, nach L.A. zu kommen?" und "ich arbeite an diesem neuen Album und ich denke, vielleicht täte es dir gut, ein paar Sachen dafür zu schreiben". Also bin ich nach L.A. geflogen und eine Woche geblieben. E hatte mir zuvor ein paar Stücke geschickt, an denen er gerade arbeitete, eines davon war "Souljacker part 1" und er sagte: "Ich möchte ein Album machen, das so klingt". Und ich dachte, ich hätte da ein Riff, das gut dazu passen würde, das von "Dog faced boy", also spielte ich die Musik für "Dog faced boy" und er sagt: "Oh ja, großartig! Ich hab einen Text, der dazu passen würde". Also nahmen wir es auf und dann hatten wir diesen einen Song, "Souljacker part 1", "Dog faced boy" und noch ein oder zwei weitere Ideen, ich glaube, wir haben da auch das musikalische Grund-gerüst von "Teenage Witch" geschrieben und den Text dazu.
C: Am gleichen Tag?
J: Ich bin mir ziemlich sicher, daß es der gleiche Tag war, ja. Ich glaub, wir haben gar nicht sonderlich viel gearbeitet, wir haben ziemlich lange Krocket gespielt und einfach zusammen rumgehangen. Hat echt Spaß gemacht. Die Eels mußten dann zunächst noch die ganze "Daisies of the galaxy"-Tour machen, da das Album noch gar nicht erschienen war, als wir anfingen, an "Souljacker" zu arbeiten. Ich war auf einem ihrer Konzerte, in Cardiff, in der Nähe von Bristol, wo ich lebe. Nach dem Gig redeten wir und E sagte: "Oh, weißt du, es wäre großartig, wenn du nach der Platte auch mit auf Tour gehen würdest." Natürlich sagt man auf sowas hin "klar", und denkt nicht unbedingt, daß es tatsächlich so kommt. Dann machten wir die Platte und da dachte ich plötzlich, hey, ich sollte die Tour machen, das wird sicher gut.

C: Was war das Lustigste, was auf der Tour bisher passiert ist? Ich meine, falls es sowas gibt...
J: [lacht]
Andreas: Das ist eine typische Frage...
C: Ja, aber ich finde, daß es immer eine interessante Frage ist.
J: Ja, schwer zu sagen, hmmm... was fällt mir dazu ein...? Etwas von einem Gig in Glasgow. Eigentlich war der ganze Glasgow-Gig ziemlich witzig, weil wir alle Quilts trugen und die volle Schottische Ausstattung.
C: Das hab ich im Internet gesehen [auf der offiziellen Homepage, in "Butch's Diary"]...
J: Genau, ja [lacht]... also es war ziemlich lustig, also daß mir und der Band schottische Quilts angepaßt wurden, war schon eine sehr komische Erfahrung.

C: Bist du eigentlich offiziell zum Eels-Mitglied ernannt worden oder handelt es sich nur um ein Projekt für dieses Album und die Tour?
J: Ähmm... bisher wurde unsere Verlobung noch nicht bekannt gegeben aber... nein. Es ist nur für das Album die Tour, obwohl, weißt du, vielleicht werden E und ich irgendwann mal wieder was zusammen machen, ich meine, man weiß schließlich nie, was die Zukunft bringt. Ich bin kein Mitglied der Eels, Eels sind tatsächlich nur E und Butch und ähmm...
C: Ja... und zusätzliche Musiker.
J: Und zusätzliche Musiker, ja. Aber weißt du, sie leben ja auch in Kalifornien und ich in England. Das wäre schon ziemlich schwierig.

C: Klar... okay, warum nennt man dich den "mad scientist" ["Verrückten Wissenschaftler"]?
J: [lacht]
C: Ich glaube, das würden wir alle gerne wissen...
J: Ja, gute Fragen... Ich brauch das mal kurz [greift einen Bierdeckel und entfernt den überstehenden Schaum von seinem Bier, lacht] danke. Entschuldigung, hmmm... warum man mich "mad scientist" nennt...
C: Ich meine, als ich das zum ersten mal gelesen hab, dachte ich, sie meinten E damit aber dann sah ich dein Bild daneben...
J: Ja, richtig...
C: und ich fragte mich halt, warum?
J: Das ist wegen der komischen Geräusche, die ich aus meiner Gitarre hervorbringe. Daher kommt das...
C: Aber was hat das denn mit Wissenschaft zu tun?
J: Mit Wissenschaft... nun, es ist die Wissenschaft des Lärms, die Wissenschaft des interessanten Lärms.
C: "Die Wissenschaft des ROCK?"
J: "Die Wissenschaft des...", ja, das gefällt mir, "Die Wissenschaft des ROCK", ja, "Der verrückte Wissenschaftler des ROCK". Ich denke...
C: hört sich cool an...
J: Das ist ein Titel, den ich gerne übernehmen würde, ja... [lacht immer noch]

C:Wie war es denn, einige der Songs für "Souljacker" mit E zusammen zu schreiben? Eigentlich hast du uns dazu ja schon was erzählt. Findest du, daß es schwer ist, mit E zu arbeiten?
J: Ähmmm... Nein, eigentlich finde ich, daß E jemand ist, mit dem man sehr gut zusammenarbeiten kann. Er ist sehr direkt wenn es darum geht, was er will und was er nicht will und das ist tatsächlich ziemlich selten unter den meisten Künstlern, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Viele Leute sind sich oft darüber im Klaren, was sie nicht wollen aber nicht unbedingt darüber, was sie wollen, was es manchmal sehr beschwerlich und zeitaufwendig macht, etwas gemeinsam zustande zu bringen. E hingegen arbeitet wirklich sehr schnell, so wie ich es schon bei "Dog faced boy" erklärt habe, ich spielte ihm die Musik vor, die ich aufgenommen hatte und er meinte: "das ist großartig. Ich hab diesen Text, der wird dazu passen" und stell dir vor, nach einer halben Stunde war der Song fertig. Es ging wirklich so einfach und schnell. Und noch ein paar andere Punkte, zum Beispiel spielst du etwas und er sagt: "Nein, das gefällt mir nicht, nein, das gefällt mir nicht" und im nächsten Moment spielst du etwas anderes und es heißt: "das ist sehr gut, spiel das nochmal", weißt du, so läuft das und dann fehlt ihm noch ein Stück. "Gib mir noch ein paar neue Ideen" und du spielst noch ein paar andere Ideen und die zweite oder dritte gefällt ihm dann: "Ja, das ist es, das war gut".
C: Gerade ist dein schottischer Akkzent durchgekommen.
J: [lacht] Ja, der sitzt sehr tief...
C: Okay, was haben wir noch? Du kommst aus Bristol, hast schottische Wurzeln und die Eels kommen aus Amerika. Gibt es in deinen Augen irgendwelche gravierenden Unterschiede in eurer Mentalität oder sprachlicher Art oder ist das ein Problem, das überschätzt wird?
J: Es gibt da gewaltige Unterschiede. Es ist aber nicht unbedingt ein Problem, ich meine, ich habe für viele amerikanische Bands als Produzent gearbeitet oder auch als Freund oder gelegentlicher Mitarbeiter. Ich habe also ziemlich viel Erfahrung im Umgang mit Leuten aus anderen Kulturkreisen, besonders mit Amerikanern. Also bin ich daran gewöhnt... aber es ist schon überraschend, wie sehr sie sich in vielen Dingen von uns unterscheiden. In vielem stehen Deutsche, Belgier oder Niederländer den Briten um einiges näher. Mal abgesehen davon, daß wir nicht die gleiche Sprache sprechen, sind sich unsere Kulturen viel ähnlicher als die Britische und die Amerikanische. Als ich zum ersten mal in den USA war, erlitt ich einen Kultur-Schock aber andererseits habe ich irgendwie immer amerikanische Freunde gehabt, deshalb hab ich mich an die Unterschiede gewöhnt. Wir ziehen uns aber immer gegenseitig auf [lacht]... Die verarschen mich und ich bin immer die Zielscheibe für alle, ich und Joe, du weißt schon, der Gitarren-Techniker mit dem langen Bart, er ist Schotte. Wir sind halt die Europäer [lacht]...
C: Es gibt da ja beispielsweise Wörter wie... ähmmm... "brilliant" [british engl. für "großartig"; "hervorragend"; "brilliant" american engl. für strahlend (Sonne, Licht)]. In England wird dieses Wort oft gebraucht aber in den USA wüßten die Leute vermutlich nicht, was ich ihnen damit sagen wollte...
J: Ja, es gibt viele solche Wörter. Schon witzig, wie viele davon nicht bloß eine andere Schreibweise haben, sondern teilweise sogar was ganz anderes bedeuten. Es ist mir aber in Fleisch und Blut übergegangen... ich meine, jeder, in der westlichen Welt, ist so häufig amerikanischen Filmen und der amerikanischen Kultur ausgeliefert, daß man amerikanisches Englisch sprechen kann, ohne groß darüber nachzudenken. Deshalb weiß ich auch immer, was sie meinen, wenn sie mir Sachen an den Kopf werfen. Von Zeit zu Zeit verstehen sie allerdings nicht, was ich so zu ihnen sage [lacht]... und daran würde ich auch nichts ändern wollen.

C: Ja, das ist gut so. Du hast neben den Eels auch andere musikalische Projekte, beispielsweise mit Polly Harvey und Sparklehorse. Gibt es irgendwelche neuen Pläne, von denen du gerne sprechen würdest?
J: Ja, sicher. Ich hab eine neue "John Parish"-Platte in Arbeit, die irgendwann erscheinen wird, wenn diese Tour zu Ende ist. Und wenn unser Baby dann erstmal geboren und ein paar Monate alt ist, kann ich auch wieder daran denken, andere Dinge anzugehen. Ich hab zu Hause eine Band, eine Gelegenheits-Band, wir sind zu elft...
C: In Bristol?
J: Ja, in Bristol. Manchmal ist Polly [Harvey] mit dabei und auch ein paar Leute von der Gruppe Portishead und andere Musiker aus Bristol, alte Freunde von mir. Hmmm... das werd ich also angehen. Wahrscheinlich mach ich auch wieder was mit Polly zusammen, es macht wirklich Spaß, mit ihr zu arbeiten. Ebenfalls werd ich vermutlich was mit Howe Gelb zusammen machen, von der Band Giant Sand aus Tucson, in Arizona.
C: Nie von denen gehört.
J: Nun, ich könnte sie durchaus als meine Lieblingsband bezeichnen, sie sind wirklich fantastisch! Sie sind gerade auf Tour. Sie sind schon seit Jahren dabei, seit ungefähr 20 Jahren, haben hunderte von Platten rausgebracht und ein paar davon, eigentlich alle aktuelleren, habe ich produziert. Ihr Leadsänger heißt Howe Gelb und er hat Charisma, ist sehr lustig und ein brillianter Lyriker...
C: "Brilliant"...
J: [lacht] Ja und er ist halt einfach ein klasse Kerl und ein richtig guter Freund und jemand, mit dem ich verdammt gerne zusammen arbeite.

C: Und dein Solo-Album? Was erwartet uns da in etwa? Hast du das ganz allein gemacht oder...
J: Manchmal bin es nur ich und manchmal sind es elf oder zwölf Leute, die bei einem Lied mitwirken. Ich denke, das Verhältnis ist ziemlich ausgewogen. Vor ein paar Jahren hab ich die Film-Musik zu einem belgischen Film geschrieben und auf gewisse Weise war das der Anknüpfpunkt für die Musik, die ich für mein neues Album geschrieben hab. Hauptsächlich sind es also Instrumental-Stücke aber es gibt auch welche mit Gesang.
C: Singst du auch?
J: Nein, obwohl ich als Sänger einer Band angefangen habe, Musik zu machen. Tatsächlich waren Polly und ich da schon in der gleichen Band, Ich war der Lead-Sänger und sie spielte Gitarre. Das ist schon ziemlich seltsam [lacht].
C: Witzig.
J: Vom heutigen Standpunkt aus, sehr witzig, ja.

C: Durftest du je Butch's Hut tragen?
J: Butch's Hut tragen? [lacht]
C: Ich meine, er scheint den Hut ja wie seinen Augapfel zu hüten...
J: Das tut er tatsächlich, ja... nein, bisher durfte ich ihn nie anziehen.
C: Wie wär's dann mit heute Nacht?
J: Vielleicht sollte ich, ja, aber andererseits hat er einen viel größeren Kopf als ich, es würde vermutlich ziemlich komisch aussehen, ich weiß nicht...

C: Okay, was sind deine Lieblingsgruppen? Ich weiß, das ist eine dumme Frage aber...
J: Nein, ich halte das für keine dumme Frage. Viele mögen diese Frage nicht aber für mich ist sie okay, da es bestimmte Sachen gibt, die ich wirklich sehr gerne mag.
C: Und ich finde, das sagt auch viel über eine Person aus.
J: Das seh ich auch so... Sparklehorse mag ich sehr gern, Giant Sand, die ich ja schon erwähnt habe. Sie sind wohl meine absolute Lieblingsgruppe. Müßte ich mich auf eine festlegen, würde ich mich für sie entscheiden. Ich mag... ich meine, weißt du, ich mag PJ Harvey und Eels natürlich wirklich gern aber da ich bei beiden Gruppen dabei war, kann ich schlecht sagen, daß sie meine Lieblingsgruppen sind, das wäre ja, als würde ich sagen, ich selbst sei meine Lieblingsgruppe oder sowas, was wohl ziemlich dumm rüberkäme. Aus historischer Sicht gewählt, wäre es unbedingt Captain Beefheart, ich finde, der hat so ziemlich die verblüffendste Musik gemacht, die ich je gehört hab. Und weißt du, ich mag auch Sachen, die man nicht wirklich als Gruppen bezeichnen kann. Ich liebe John Barry's Film-Musik aus den Sechzigern. Er schrieb die Titel-Melodie zu einem Film, der "Midnight Cowboy" hieß, ich weiß nicht, ob dir das was sagt, es ist ein wunderschönes Musik-Stück. Ich liebe auch Michael Nyman's frühe Film-Musik. Und es gibt noch eine ganze Menge anderer Bands, die von Zeit zu Zeit gute Platten machten. Ich meine, ich war ein großer... riesengroßer Fan von T-Rex als ich ein Junge war und ich hör die immer noch gern. Ich mochte "The electric warrior", die haben sie in den späten Siebzigern rausgebracht, die finde ich großartig. Ich denke, alle Platten, die David Bowie in den Siebzigern gemacht hat, waren erstaunlich und alles was danach kam, hat mir überhaupt nicht gefallen, wirklich enttäuschend. Ich mag die Sechziger-Alben der Rolling Stones und nicht viel von dem, was danach noch rauskam und ich mag Grandaddy sehr, eine amerikanische Band. Ich finde, Tom Waits hat in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern einige tolle Platten gemacht. Und Nick Cave hat einige fantastische Platten gemacht, von den frühen Achtzigern an bis, ich würde sagen, bis '86 so ungefähr, zwischen... nun, angefangen mit The Birthday Party [frühere Band von Nick Cave], vielleicht länger, bis '87 oder '88 hat er in meinen Augen ein paar wirklich umwerfende Platten gemacht. Also meistens ist es so, daß... der Grund, warum ich Giant Sand als meine absolute Lieblingsgruppe auswählen würde liegt darin, daß die meisten Gruppen, die ich mag, so etwas wie ein "goldenes Zeitalter" gehabt haben, in dem sie großartige Alben herausbrachten, bis zu einem gewissen Punkt, machten sie tolle Sachen und dann ging es einfach nicht mehr weiter, wohingegen Giant Sand für mich durchgängig interessant blieben. Ich frage mich manchmal, ob das daran liegt, daß sie nie großen kommerziellen Erfolg gehabt haben, denn ich denke, ein beträchtliches Maß an kommerziellem Erfolg, setzt selbst den großartigsten Künstler derart unter Druck, daß es schwer fällt, alles einfach wegzustecken und weiterhin gute Platten zu machen. Ich glaube nicht, daß es da Ausnahmen gibt, obwohl ich da sehr gerne eines besseren belehrt würde. Ich wünschte, da wäre wirklich jemand... weißt du, da sind auch Leute wie Neil Young, der wirklich Jahre lang gut war und dieses Format erreicht. Er scheint irgendwie fast außerhalb der Wertung zu stehen, doch auch er hat manchmal schlechte Platten gemacht. Aber bei ihm war es nicht wie bei... sagen wir, David Bowie, bei dem anfangs alles gut war und dann von einem aufs andere, war alles folgende schlecht oder eben nicht ausreichend gut. Bei Neil Young sieht es in der Bewertung eher so aus: gut, gut, uhhh, schrecklich! Du weißt schon, okay, fantastisch, in Ordnung, in Ordnung, in Ordnung, verblüffend gut, bei ihm ist es so schön unvorhersagbar und ich liebe das einfach, es ist toll. Das gleiche gilt für Bob Dylan, weißt du, zeitweise hat er richtig gute Platten gemacht, dann hatte er eine schlechte Zeit, die ziemlich lange anhielt und dann hat er wieder was gutes gemacht und dann...
C: Sie haben ihn ja sogar auf den eigenen Konzerten ausgebuht. Das find ich ziemlich traurig.
J: Auf gewisse Weise, ja. Aber ich find es auch ziemlich beeindruckend, daß er das auslösen konnte, irgendwie gefällt mir die Tatsache daß... ich mag es, wenn Künstler vorsätzlich experimentierfreudig sind... wenn sie ihr eigenes Publikum herausfordern.
Vermutlich ist die Sache, die ich an Rock Musik und Rock Bands am wenigsten mag, die faule Gleichgültigkeit, die bei so vielen irgendwann eintritt. Sie pendeln sich ein auf eine Art Schablone und bevor man sich versieht, wiederholt sich die gleiche Sache immer wieder, mit kleinen Variationen. Das Traurige an der Sache ist, daß sie dadurch kommerziell gesehen größer und größer werden aber künstlerisch gesehen, in meinen Augen, immer kleiner und langweilig. Aber weißt du, es gibt eben Leute,denen Kommerz mehr bedeutet als Kunst.

A: Was hältst du, als Gitarist, von elektronischer Musik?
J: Es gibt welche, die mir wirklich gut gefällt aber es ist nicht unbedingt die Richtung, die mir am meisten zusagt. Ich mag ein paar Sachen der Aphex Twins, ich weiß nicht, ob du die kennst... ähmm, ihre Musik ist schön, irgendwie seltsam, eine Herausforderung für den Hörer. Generell mag ich Dinge, die mich überraschen können. ich meine, natürlich interessiere ich mich mehr für Musik, die mit Gitarre und Schlagzeug gespielt wird, das ist einfach meine Musikrichtung aber alles, was mich musikalisch gesehen, überraschen kann, wird wohl für eine gewisse Zeit mein Interesse wecken. Vielleicht werde ich es niemals von ganzem Herzen lieben, wohl aber zu würdigen wissen, daß es existiert
A: Ich finde, Gitarren-Musik ist emotionaler als elektronische Musik, denn sie kommt aus dem Herzen eines richtigen Spielers und elektronische Musik ist oft einfach zu einem Song zusammenprogrammiert.
J: Das trifft des öfteren zu aber für mich gibt es nicht unbedingt eine klare Trenn-Linie zwischen "von Herzen kommend" im emotionalen Sinn und "von Herzen kommend", intellektuell gesehen, ich glaube nicht, daß es unmöglich ist, das zu trennen. Manche Leute sehen das anders. Ich hatte mit einigen Leuten Diskussionen darüber, ob sich Intellekt und Emotion in einem Musikstück kombinieren lassen. Ich finde, daß es bis zu einem gewissen Grad möglich ist, vorausgesetzt, daß es nichts gibt, was bloß um seiner selbst Willen existiert. Wenn jemand von einem rein intellektuellen Standpunkt aus, an die Sache rangeht, klingt das Ergebnis meistens kalt aber gleichermaßen können Leute sehr emotional vorgehen und es kann sich trotzdem gekünstelt anhören. Es gibt Leute, die von sich behaupten, gefühlvolle Musik zu machen, und tatsächlich hört sie sich für mich verkümmert an. Ich meine, grundsätzlich stimme ich dir zu. Es ist schwer, emotionale elektronische Musik zu machen aber es ist nicht unmöglich. Ich meine, es ist allein deshalb schon schwer, weil du, wenn du etwas programmierst, automatisch Abstand davon nimmst aber wenn du etwas aufnimmst, tust du in einem gewissen Maße, das selbe. Mal abgesehen von Leuten wie Frank Black von den Pixies, einer weiteren Gruppe, die ich in den Achtzigern sehr mochte.
C: Frank Black?
J: Ja, ich finde, er ist ein toller Songwriter. Und er nimmt seine Alben immer direkt auf Zwei-Spur auf, die Band spielt also live ein, auf ein Zwei-Spur-Tonband, ohne nachträgliche Ton-Mischung, ohne Nachbearbeitungen, das ist es schon. Also, obwohl ich nicht unbedingt finde, daß auf diese Weise die besten Platten entstehen, erfasse ich dennoch auf intellektueller Ebene, das dies emotional gesehen die korrekteste Antwort ist. Für mich muß immer eine Balance zwischen beidem da sein, wenn eine solche Balance vorhanden ist, entstehen die besten Platten.

C: Hast du einen Lieblings-Eels-Song?
J: Ich habe ein Lieblings-Eels-Album, "Electro-shock blues".
C: Willkommen im Club. Okay, ich bedanke mich für das Interview.
J: Gerne
C: Und ich bin sicher, das Konzert heut abend wird großartig werden.
J: Ich will es doch hoffen [lacht]


Interview: Christina Hemmen, aka Luci; Andreas Braun
Fragen: Christina Hemmen; Andreas Braun, Michael Szczuka, aka Monkey
Übersetzung: Christina Hemmen
Bilder: Andreas Braun, Peter Vogel, Christina Hemmen
Korrektur-Leser und Ergänzungen: Michael Szczuka